Herbstreise 2006 von Reni & Cosmas vom 22.-28.10.

Auf die Fragen der Kollegen "Wo soll's denn hingehen" konnten wir noch am Tag vor der Abreise nur mit "Keine Ahnung, hängt vom Wind ab" antworten. Da das Wetter zwar sehr vielversprechend aussah, aber stark windig, wollten wir auf alle Fälle mit Rückenwind los. Als der am Sonntag immer noch auf Südwest stand, war klar: es würde mal wieder gen Osten gehen, erstmals aber Nordosten. Da gibt's ja bekanntlich den Harz, wo wir beide noch nie gewesen waren. Dorthin eine ansprechende Route zu finden, müsste sich unterwegs mit etwas Kartenstudium von alleine ergeben. Den Thüringer Wald wollten wir jedenfalls auch noch irgendwie "mitnehmen", entweder hin oder zurück.

1. Tag: am Feldberg vorbei

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Erstmal keine Experimente, also fahren wir (ziemlich spät am Tag) die übliche "Taunusrunde" mit kleinen Abweichungen bis Eppstein, biegen dort ins Tal Richtung Heftrich und so mit ersten "heftrichen" Steigungen über Schmitten am Feldberg vorbei. Nach der Abfahrt ins Weiltal bläst uns ein sehr freundlicher Wind bei sonnigem, warmem Wetter mit 35-30 km/h bis Braunfels und (unter notgedrungener Vermeidung der KFZ-Straße mit einigen pfadfinderischen Kniffen) nach Wetzlar, wo sich trotz hereinbrechender Dämmerung am Tourismusbüro noch ein Unterkunftsverzeichnis findet. Bei 40 € für's Doppelzimmer (!) etwas ausserhalb bleibt das unsere günstigste Übernachtung. Mit 110 km und einem knapp 26er Schnitt bei 1100 Höhenmetern können wir angesichts der Tatsache, dass wir erst um 13:00 Uhr losgekommen sind, ganz zufrieden sein (wenn auch der Wind seinen Teil dazu beigetragen hat...)

2. Tag: durch's Rothaargebirge

Heute sieht's weniger schön aus, es nieselt, bleibt aber warm: 14-19°. Schon nach 44 km machen wir in Marburg eine Regenrast in der Bäckerei und stellen dabei fest, dass zwischen der Karte von gestern und dem nächsten Punkt im sog. Weserbergland, den wir auf der nächsten anvisiert haben, eine Lücke klafft: da haben wir wohl eine Karte mitzunehmen vergessen. Kein Problem, aus Marburg geht's erst mal steil bergauf raus (um eine große Baustelle zu umfahren, müssen wir ein Villenviertel erklimmen und wieder runtersausen), die Windrichtung stimmt, Biedenkopf ist ausgeschildert - hört sich okay an. (Später stellt sich raus, dass wir auch direkt Richtung Norden hätten fahren können, aber was soll's...) Aus Biedenkopf raus kommen wir an der "berühmten" Sackpfeife vorbei, wo es ein alljährliches Bergzeitfahren gibt, bei dem ich schon immer mal mitmachen wollte. Diese letzte Steigung vom "Pass" der Landstraße aus einen Waldweg hoch (eine Bergankunft) sparen wir uns heute allerdings. Leider sind wir jetzt auf einer sehr stark befahrenen Straße, die Landschaft ist auch nicht mehr so schön, so biegen wir bald nach einer 2. Bäckerpause in ein kleines Tal ab, das auch schon wieder auf der nächsten Karte drauf ist, und es gibt eine herrliche, gewunden langgezogene Abfahrt ins Edertal hinab, die für den Verkehr vorher mehr als entschädigt. Wir übernachten in einem Gasthof, der auch Metzgerei ist (also brauchen wir gar nicht erst nach vegetarischen Gerichten zu fragen...) und essen nach der allabendlichen Waschprozedur recht müde auf dem Zimmer - die 139 km heute waren doch anstrengend, der Wind durch unser Zick-Zack nicht immer günstig.

3. Tag: Weserbergland Richtung Harz

Als wir um 9:15 losfahren (Rekord!), bläst ein orkanartiger Wind, der Wolken und Sonne blitzschnell einander folgen lässt. Wir entscheiden uns, nicht den empfohlenen direkten Weg an der Bundesstraße im Tal zu nehmen (und schon gar nicht den Radweg daneben) und mal wieder auf kleine Nebenstraßen im Hügelland abzubiegen, wo der Wind deutlich geschwächt ist und man teilweise grandiose Ausblicke über das Tal hat. Trotzdem hat Reni öfter kleinere Probleme mit der Sicht, vor allem bei Rückenwind... Mit einigem Hin und Her geht es an Fritzlar und Bad Wildungen vorbei, aber durch malerische kleine Dörfer wie Züschen hindurch, wo wir ein ultrakurzes Sightseeing eines idyllisch restaurierten Landgutshofes veranstalten. In Melsungen fahren wir ausnahmsweise mal hinein und picknicken mitten in der Altstadt in der Sonne. Ich bin unsicher, ob das jetzt noch Weserbergland oder Rhön ist? Egal. Die Landschaft ist extrem abwechslungsreich: mal superstark befahrene Straßen in eher langweiligem flurbereinigtem Flachland, dann wieder fast völlig verlassene Sträßchen durch kleine Dörfchen, wo sich kaum jemand zeigt. Als wir uns hinter Heiligenstadt vor einer Großbäckerei (kein Laden) bei einem Schutt unterstellen, bekommen wir direkt das Angebot, nach drinnen zu kommen, aber wir wollen zügig weiter, wer weiss, wann der nächste Guss kommt. Übernachtung ist heute, nach 136 km und 1630 Höhenmetern, in Duderstadt, das sich als recht teuer herausstellt, immerhin aber auch einen schönen Marktplatz hat.

4. Tag: Endlich zum, durch und nochmals in den Harz

Kurz hinter Duderstadt fängt dann endlich der Harz an: nach Herzberg, selbst nicht besonders schön, geht's langsam ansteigend hoch, bald steiler, bei Sankt Andreasberg sehtr steil: 15% hat es über längere Zeit laut Schild, fühlt sich aber eher wie 18% an. Selbst mit 33/27 geht nichts ausser Wiegetritt, Reni hat immerhin 28/28. Ruckzuck sind wir so von 230 m auf 840 gestiegen, dann geht's wieder runter zu einer größeren Straße (Blick auf den Brocken, die Spitze erinnert sehr an den Mont Ventoux...) und am Oker-Stausee vorbei, der wegen des niedrigen Wasserstands recht gespenstisch aussieht. Trotzdem fährt ein Ausflugschiff drauf! Nach einer rasanten Abfahrt sind wir in Bad Harzburg schon wieder fast aus dem Harz raus, den wir jetzt in Süd-Nord-Richtung überquert haben; das Mittelgebirge selbst liegt eher West-Ost. Das kann's ja nicht gewesen sein, also fahren wir einfach ein Stück östlich weiter und queren ihn von Wernigerode aus nochmals, diesmal gen Süden. Leider ist die kleine Straße aus Wernigerode raus, die ich mir ausgeguckt habe, in sehr schlechtem Zustand und ausserdem wegen einer Baustellen-Umleitung heute die Hauptverkehrsader, die wir uns mit Hunderten von LKW und PKW teilen müssen. Und ebenfalls leider habe ich kurz, nachdem wir wieder im Wald sind, einen Platten, während es bereits empfindlich kalt geworden ist. Interessant ist dafür, als wir nach 20 Minuten weiterfahren, dass wir immer wieder eine Dampflok parallel den Berg erklimmen sehen - der Harz ist bis zum Brocken komplett ÖPNV-erschlossen durch die Dampf-Brockenbahn! Als wir den schönen Ort mit dem noch schöneren Namen Elend erreicht haben, beschließen wir, in der imposanten Pension Harzhaus zu übernachten, wo wir für 60 € eine ganze Suite mit dem größten Badezimmer meines Lebens bekommen. Und als wir abends essen gehen wollen, entpuppt sich die Bahnhofsgaststätte "B1" als ein uriges Szenelokal, in dem man in originalen Bahnsesseln sitzend die Getränke mit einer Spielzeugeisenbahn serviert bekommt. Das Essen ist auch noch gut! Und Reni findet zum ersten Mal ein Bier akzeptabel, ein dunkles, sehr malziges namens "Porter", das ich noch nirgends sonst gesehen habe ("ein Frauenbier", meint die Bedienung...!) Heute leider runter bis nur 9°, aber bei 1625 Höhenmeter auf nur 116 km wurde einem meistens trotzdem warm...

2. Teil

5. Tag: Harz - Kyffhäuser - Schmücke - Thüringen

Ganz so schnell sind wir natürlich nicht wieder raus aus dem Harz, wir fahren zwar erst fast ganz runter bis Netzkater (wer denkt sich bloß diese Namen aus), dann entlang einem Bach auf winziger Straße aber wieder rauf bis Stiege, sehr idyllisch. Oben ist eine windige Hochebene, aber dann gibt's endlich eine schöne Abfahrt bis Roßla mit toller Aussicht auf den Kyffhäuser, den wir als nächstes erklimmen wollen.
Erstmal gibt's aber eine extrem leckere Bäckerpause mit Picknick in der Sonne. Für 3,58 Euro sind wir beide pappsatt.

Der Anstieg zum Kyffhäuser ist klasse: 36 durchnummerierte Kurven sind bis oben zu erklimmen. Die 3 km Umweg zum Kyffhäuser-Denkmal, das man auf dem Bild ganz oben rechts erkennen kann, machen wir (leider) nicht, da wir erwarten, es auch von der Straße aus sehen zu können - ist leider nicht so. Nach einer rasanten Abfahrt geht's flach weiter bis Heldrungen, es gibt noch einmal einen etwas kleineren Buckel, die "Schmücke", doch dann wird's abenteuerlich: die kleine gelbe Straße, die ich ausgeguckt habe, entpuppt sich als Feldweg mit erst groben Steinen, dann Waldboden, schließlich 3 km extrem grobes Pflaster - gräßlich!

Mit Umkehren wäre leider auch nix gewonnen, wir müssen durch, sind danach aber so durchgerüttelt, dass wir als Ausklang auf der Straße nochmal ordentlich Tempo machen und im Dunkeln bis fast vor Eckartsberga kommen, wo ich zu DDR-Zeiten mal bei einer Klassenreise war. Beim Einstellen der Scheinwerferhöhe fällt mir dabei mein brandneuer IXON runter, die Scheibe ist entzwei... dafür leuchtet er ohne noch heller...

Die Unterkunft ist sofort am Ortseingang von Braunsroda gefunden, leider ziemlich kalt (auch das Wasser), zum Aufwärmen geht's also erstmal in die Schankstube. Die Preise sind (wie schon bei der Bäckerei) extrem günstig: 40 Euro für die Übernachtung, 5-6 für ein großes Omelett mit Salat. Abgespult sind heute trotz rund 6 km Schotterpiste 145 km bei vergleichsweise ordentlichen 1560 Höhenmetern.

6. Tag: Thüringer Holzland - Thüringer Wald

Heute ist das Wetter nicht mehr so gut, trotz weiterhin 16-21° fühlt es sich subjektiv kälter an. In Eckartsberga statte ich "meiner" alten Jugendherberge, wo ich 1987 bei einer Klassenfahrt war, einen Besuch ab, die jetzt brach liegt; ich kann nicht viel wiedererkennen. Die Gegend ist erst mal nicht so toll, ab Bad Sulzla wird sie abwechslungsreicher und schöner, ein paar Alleen halten den Wind etwas ab, der jetzt wieder sehr stark ist, und erstmals fahren wir länger zum guten Teil gegen ihn Richtung Süd-Südost. Nach einem 2. Platten (!) und einem Picknick im Einkaufszentrum (wo sofort ein Wachmann kommt, um uns wegen der mit rein genommen Fahrräder zu rügen) machen wir eine Kehre gen Westen und damit in kompletten Gegenwind, was eher angenehmer als dieser ständige Seitenwind ist.

Durch's Thüringer Holzland geht's Richtung Kahla an der Leuchtenburg vorbei eine sehr schöne Straße entlang eines Tals, die wir vor 2 Jahren schon mal in umgekehrter Richtung gefahren sind. Leider ist der Verkehr diesmal recht stark. An der Saale bei Kahla angekommen bleiben wir nur kurz an der roten Straße, die uns zwar direkt nach Saalfeld bringen würde, unserem heutigen Ziel, aber wir machen dann doch lieber wieder einen größeren Umweg von der Saale hoch. Völlig einsam geht es jetzt mal wieder durch den wie verwunschenen Wald, den Wind spürt man kaum; die Straße ist zwar holprig, aber es hat sich 100%ig gelohnt.

Auch so kommen wir schließlich bei einigen Regentropfen nach Saalfeld und, wieder auf einer kleinen Straße, die eigentlich wegen einer Baustelle gesperrt ist, noch ein paar Kilometer bis Bad Blankenburg. Heuten essen wir mal auf dem Zimmer - muss ja nicht jeden Tag Luxus pur sein :-) . Angesichts der Windbedingungen müssen wir mit 128 km und nur 22er-Schnitt zufrieden sein.

7. Tag: Rennsteig

Auch den Rennsteig sind wir vor 2 Jahren schonmal andersrum gefahren. Diesmal geht's nun also bei leider trübem, nassem Wetter das Schwarza-Tal hoch, was trotz Gegenwind zunächst sehr flott geht. Ich fahre ausnahmsweise mal länger ein Stück vor, da ich mich komischerweise heute besonders fit fühle. Ab Katzhütte geht's dann steil und kontinuierlich bergauf, ich stoppe 15 Minuten für 210 Höhenmeter, bevor ich auf Reni warte. Weiter geht's dann wieder zusammen bis Neustadt am Rennsteig auf rund 700 m, wo wir beim letzten Mal gigantische Rumkugeln verspeist haben, doch Reni will heute einfach so an dem Café vorbeifahren... Na gut, dann eben nicht.

Dafür kehren wir kurz darauf (wie schon der Name sagt) in Allzunah gezwungenermaßen ein, da es anfängt zu schütten. Aber auch hier hat es unglaublich guten Kuchen - scheint im Thüringer Wald die Norm zu sein. Trotzdem geht's dann weiter, als der Regen weniger wird, doch am bisher höchsten Punkt des Rennsteigs auf 830 m entscheiden wir uns angesichts des Wettters, nicht dem Rennsteig weiter nach Oberhof zu folgen, sondern runter nach Suhl zu fahren und dort in den Zug zu steigen. Spätestens morgen hätten wir eh' zurückgemusst, und bei Regen weiter bis Meinigen zu fahren, wäre wirklich nur eine Pflichtübung...

Leider haben wir in Suhl fast 2h Zeit bis zur nächsten ordentlichen Verbindung, die wir bei nachlassendem Regen zu einem Mini-Stadtbummel nutzen.
Dann geht's zurück nach Mainz per Bahn - wo natürlich die Straßen trocken sind. Aber dafür liegt es halt auch nur auf 85 m statt um die 400 wie Suhl, vom Rennsteig ganz zu schweigen...

So, zum Abschluss die Bilanz:

Hat auch diesmal wieder viel Spaß gemacht, bis auf den letzten Tag war das Wetter doch meist sehr gut, und selbst da war der Rennsteig-Aufstieg klasse. Wir haben unser Gepäck nochmals reduzieren können: ich hatte nur 2 kleine Taschen am Rennrad, das mit dem kleinen Tubus-Fly-Gepäckträger und Raceblades halbwegs zum Reiserad umfunktioniert war. An die Kombination leichtes Rad + Taschen muss man sich im Wiegetritt etwas gewöhnen, aber selbst freihändig die Jacke zumachen geht dann. Und bergauf spürt man die 5-8 kg (je nach Fressalienmenge...) schnell gar nicht mehr.

In Zahlen: 850 km und 9645 Höhenmeter in 1 Woche machen Ende Oktober einen ganz ordentlichen Trainingseffekt, obwohl wir beim Essen sicher nicht gespart haben...
Cosmas Lang